Sehr geehrter Herr Wollweber,
haben Sie Dank für Ihre Zuschrift zu einem Thema, das viele Gemüter bewegt. Sie liegen richtig: Natürlich bin ich verärgert über den so genannten Verdachtsjournalismus, der der Unschuldsvermutung, die unseren Rechtsstaat prägt, mehr und mehr den Raum nimmt, dafür aber der Schuldvermutung den Weg ebnet. Diese meines Erachtens fatale Entwicklung darf sich nicht auch noch auf anderer Ebene fortsetzen, indem beispielsweise ein RPA-Bericht von erheblicher Tragweite und vertraulichem Inhalt ohne weiteres öffentlich zugänglich gemacht wird.
Warum? Der Weg eines Prüfungsberichtes geht, bevor er den Stadtrat oder seine Fachausschüsse erreicht, normaler- und richtigerweise an die in ihm erwähnten Ämter und städtischen Mitarbeiter, um ihnen Gelegenheit zu geben, sich dazu zu äußern. Erst mit den Kommentierungen aller Beteiligten ist der Prüfbericht eine vollständige Unterlage für die politischen Beratungen.
In dem konkreten Fall "Prüfbericht WCCB" ist die Verwaltung von diesem bewährten Verfahren abgewichen und hat wegen des überragenden politischen Interesses die unkommentierte Unterlage mit dem Hinweis auf strikte Vertraulichkeit den Ratsmitgliedern als Vertretern der Bürgerschaft persönlich zukommen lassen. Der Bericht wurde eben nicht weggeschlossen, sondern zugänglich gemacht.
Wie Sie verfolgen konnten, sind Auszüge aus diesem Bericht anschließend in die Öffentlichkeit gelangt und führten zu entsprechender Medienbegleitung.
Bitte nehmen Sie sich kurz die Zeit und stellen Sie sich vor, ein Dossier mit belastendem strafrechtlichem Inhalt über Sie wird öffentlich, ohne dass Sie darauf Einfluss nehmen können. Medien berichten und Ihnen sind die Hände gebunden. Ihrem Ruf haftet plötzlich ein "Geschmäckle" an: Ihre Unschuld verwandelt sich ohne Ihr Dazutun in Schuld, je nachdem wie Medien und Öffentlichkeit das Dossier auslegen. Dazu kommt: Eine Kommentierung dieses Vorgangs durch Sie in der Öffentlichkeit verbietet sich, weil dadurch Ihre Rechtsposition in einem möglicherweise später anhängigen Rechtsverfahren entscheidend geschwächt werden könnte. Ein sicherlich auch für Sie beunruhigender Gedanke.
Die Stadt Bonn hat weitreichende Überlegungen angestellt, wie der RPA-Bericht in eine für die Öffentlichkeit lesbar-informative und damit taugliche Version gegossen werden kann, ohne die Rechte Betroffener zu tangieren. Der dazu eingeholte juristische Rat kam zu dem eindeutigen Ergebnis, dass bei der Umsetzung nicht nur verschiedenste Rechtsgebiete berührt werden, sondern auch ein mehrwöchiger - auch finanziell nicht unerheblicher - Aufwand betrieben werden muss, um eine öffentliche Berichtsfassung zu erstellen. Die Stadt hat daraufhin Ende vergangener Woche eine diesbezügliche öffentliche Ausschreibung auf den Weg gebracht. Die Stadt wird die Öffentlichkeit über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten.
Freuen würde es mich, wenn ich Ihnen mit diesen Zeilen den Sachverhalt etwas transparenter machen konnte.
Mit freundlichen Grüßen
