Liebe Nutzerinnen und Nutzer von „direktzu Jürgen Nimptsch“,

vielen Dank für die rege Beteiligung auf diesem Portal in den vergangenen Jahren. Die Stadt Bonn wird in Kürze eine eigene Bürgerbeteiligungsplattform einrichten, auf der Sie dann vergleichbare Möglichkeiten der Partizipation haben. Das Portal „direktzu Jürgen Nimptsch“ wurde Anfang November 2014 geschlossen.

Herzliche Grüße

Jürgen Nimptsch

Beantwortet
Autor Karl Broich am 12. März 2012
12859 Leser · 43 Stimmen (-2 / +41)

Umwelt und Gesundheit

Vorsorge gegen Schäden in Folge Starkregen

Sehr geehrter Herr Nimptsch,

Der Hochwasserschutz ist eine öffentliche Aufgabe. Dies gilt allerdings nur für Hochwasser in Folge Gewässerausuferung. Bei Überschwemmungen durch Starkregenereignisse hat der Bürger selbst Vorsorge zu tragen. Gerade diese Starkregenereignisse werden sich aber durch die Klimaveränderung bedingt häufen. Die Gefahr geht in der Stadtfläche sowohl von der Kanalisation, als auch von frei abströmendem Oberflächenwasser aus.

Sind der Stadt selbst die Wirkung von Starkregen en detail - d.h. hausgenau - bekannt?
Wie unterstützen Sie die Bürger -abgesehen von §45 Bauverordnung (Rückstausicherung)- in dieser Sache?

Mit freundlichem Gruß
Karl Broich

+39

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Antwort
von Jürgen Nimptsch am 20. Juli 2012
Jürgen Nimptsch

Sehr geehrter Herr Broich,

die mögliche Häufung extremer Niederschlags- und Überflutungsereignisse infolge Klimawandel bedingt in der Siedlungsentwässerung die Frage nach Konsequenzen für die Bemessung kommunaler Entwässerungssysteme, um den notwendigen Überflutungsschutz auch zukünftig zu gewährleisten.

Der aktuelle Kenntnisstand zum Klimawandel zeigt, dass sowohl die Datenlage als auch die Leistungsfähigkeit der international angewandten Klimamodelle keine gesicherten Projektionen zukünftiger Entwicklungen für die Siedlungsentwässerung erlauben. Die resultierende Ungewissheit erfordert eine größere Flexibilität der Entwässerungssysteme. Daneben kommt der ortsbezogenen Analyse konkreter Überflutungsgefährdungen besondere Bedeutung zu.

Die Stadt Bonn hat für das gesamte Kanalnetz in den Jahren 2008 bis 2010 eine hydrodynamische Berechnung mit realen Regenreihen aus den Bonner Regenmessstationen durchführen lassen. Hierdurch lassen sich die für Starkregenereignisse anfällige Bereiche lokalisieren.

Weitere gefährdete Bereiche lassen sich durch Einsätze der Feuerwehr erfahren. Die betrieblichen Erkenntnisse unserer Kanalunterhaltungsmitarbeiter fließen ebenfalls in die Bewertungen für die Sanierungsprioritäten mit ein.

Die Berechnungen und deren Erkenntnisse finden Berücksichtigung bei der Aufstellung des Bonner Abwasserbeseitigungskonzeptes (aktuell 2012 – 2017) für den Aspekt der hydraulisch zu sanierenden Kanalhaltungen, die in der Kombination mit den baulich zu sanierenden Kanalhaltungen die größte Priorität bei der Aufstellung des Abwasserbeseitigungskonzeptes (ABK) haben. In zahlreichen Fällen kann davon ausgegangen werden, dass bei den anstehenden Sanierungs- bzw. Neubaumaßnahmen größere Kanäle verlegt werden als die vorhandenen.

Die Stadt Bonn ist gegenüber der Bezirksregierung Köln verpflichtet, bis zum 31.12. 2015 mit einem finanziellen Aufwand von 20 Mio. €/Jahr die Kanäle mit den größten baulichen Schäden (Schadensklasse 4 (alt), jetzt SKL 0 des Merkblattes DWA M149) zu sanieren. Für die notwendigen hydraulischen Aspekte der Bemessung von Kanälen und die empfohlenen Überflutungshäufigkeiten ist das Regelwerk DIN EN 752 und das der DWA – A 118 maßgeblich.

Hier sind die „Wiederkehrzeiten“ von Regenereignissen als maßgebliches Kriterium genannt, je höher die Wiederkehrzeit desto gravierender sind die Regen- bzw. Starkregenereignisse, die für die Planung der Kanalbaumaßnahmen maßgeblich sind. Ein Beispiel: Für die Dimensionierung von Kanälen wird in der Regel mit einer Wiederkehrzeit von 2 Jahren gerechnet, für die Betrachtung der Überflutungshäufigkeit mit Wiederkehrzeiten von 10 Jahren (ländliche Gebiete) bis 50 Jahren (Unterführungen).
Aus Forderungen des Bundesgerichtshofes wurde als zusätzliches Kriterium die „Überstauhäufigkeit“ (Einstau des Scheitel des Kanalrohres bis Oberkante Gelände) eingeführt. Hier sind Wiederkehrzeiten von 2 Jahren für ländliche Gebiete, bis 10 (50) Jahren bei unterirdischen Verkehrsanlagen / Unterführungen zu berücksichtigen.

Durch die oben genannten Aktivitäten leistet die Stadt Bonn ihren Beitrag, die Niederschlagswasserableitung weiter zu entwickeln und damit das anfallende Niederschlagswasser noch besser im Kanalsystem abzuleiten.

Die volle Füllung der Kanäle im Niederschlagesereignis ist ein normaler Betriebszustand. Gegen die davon ausgehende Gefährdung der Wohngebäude durch Rückstau der öffentlichen Kanäle in die Hausanschlussleitung hat der Bürger selbst Vorsorge zu treffen. Bei fehlender oder unzureichender Rückstausicherung sind Schadenersatzansprüche laut Urteilen des Bundesgerichtshofes und der Oberlandesgerichte abgewiesen worden. Der Grundstückseigentümer ist verpflichtet, geeignete Vorkehrungen zu treffen, um sein Anwesen gegen Rückstau bis zur Rückstauebene, d.h. bis zur Straßenoberkante, zu sichern. Diesen Sachverhalt hatten Sie aber bereits als Ihnen bekannt erwähnt.

Bei Extremereignissen kann es auch zu oberflächlich abfließendem Niederschlagswasser kommen. Dafür besteht keine Haftung durch die Stadt, soweit die Entwässerungsanlagen dem oben beschriebenen Regelwerk entsprechen. Hausgenaue Berechnungen von möglichen Einstauhöhen an jedem Gebäude bei verschiedenen Extremereignissen sind vom technischen Regelwerk nicht gefordert und liegen bei der Stadt Bonn nicht vor.

Maßnahmen durch Objektschutz gegen frei abfließendes Oberflächenwasser sind sinnvoll und durch den Eigentümer umzusetzen. Als mögliche Maßnahmen werden exemplarisch genannt: Höherlegung des Einganges, äußere Abdichtung von Kellerwänden und Fußböden gegen drückendes Wasser, Herstellung einer „weißen Wanne“, Erhöhung von Bordsteinoberkanten im Bereich von Eingängen und Einfahrten, Errichtung von Entwässerungsanlagen am Tiefpunkt von Böschungen mit abflusswirksamen Flächen zu Gebäuden hin, wie z.B. Entwässerungsrinnen, Mulden mit Hofeinläufen, Mulden mit Kiesfüllungen, Sandsackbarrieren usw. Im Einzelnen sollte eine geeignete Fachfirma, ein Bauingenieur oder Architekt hinzugezogen werden.

Neben den anzuwendenden Regelwerken werden vom Tiefbauamt die örtlichen Gegebenheiten bei Überlastungen der Kanalisation, im Einzelfall mit einer Überflutungsprüfung, angewendet und umgesetzt.

Durch die zuvor beschriebene Vorgehensweise wird durch die Stadt Bonn den jetzt häufiger auftretenden extremen Niederschlags- und Überflutungsereignissen infolge Klimawandel Rechnung getragen. Jeder Eigentümer ist parallel dazu in der Pflicht sein Eigentum zu schützen.

Falls Sie weitere Fragen haben, wenden Sie sich bitte an das Tiefbauamt (Herr Kilanowski, Tel.: 77-41 46.

Mit freundlichen Grüßen