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Herzliche Grüße

Jürgen Nimptsch

Beantwortet
Autor Achim Dehnen am 15. November 2010
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Bildung und Kultur

Neuausrichtung der Kulturpolitik: Was wäre wenn?

Sehr geehrter Herr Nimptsch!

Was wäre, wenn die Theater der Stadt Bonn (Oper und Schauspielhaus BGo) mit dem Auslaufen des Intendantenvertrages Ende 2012 schliessen würden?

Auf der Habenseite ist diese Frage schnell beantwortet: Rund 29 Mio € pro Jahr würde die Stadt einsparen und damit ihre Finanzprobleme auf einen Schlag weitgehend lösen.

Verständlich, dass die gut organisierten hauptberuflichen Protagonisten der „Offiziellen Kultur“ auch schon gegen einen Sparbeitrag von 3,5 Mio €/a, wie er im Raume steht, kulturellen Niedergang, Exodus der geistigen Elite und wirtschaftliche Kollateralschäden anführen.

Glaubwürdig ist das allerdings nicht! Im regionalen Einzugsgebiet der Theater der Stadt Bonn wohnen (ohne Köln) annähernd 500 - 600.000 Menschen, die im Jahresdurchschnitt 184.000 Eintrittskarten kaufen. Umgerechnet geht also nur jeder 3. Bürger der Region einmal pro Jahr ins städtische Theater. Der Wegfall dieser geringen Nachfrage soll derart katastrophale Auswirkungen haben?

Offensichtlich ist der Besuch der Theater der Stadt Bonn eher ein singuläres Ereignis im kulturellen Bedarfsportfolio der Bürger. Zu verlockend ist die Palette des hochrangigen Kulturangebotes entlang der Rheinschiene, zu vielfältig der attraktive Kulturmix der „freien“ Kultur, mit Glanzlichtern wie Pantheon und Springmaus, selbst in Bonn. Leider macht das Konkurrenzdenken der Städte im Wettkampf um „kulturelle Profilierung“ es jedoch offensichtlich schwer, die Chancen der Kooperation bei der extrem teuren „offiziellen Kultur“ zu nutzen.

Das gilt auch und gerade für Bonn. Die fetten Jahre üppiger Kulturetats als Bundeshauptstadt sind unwiederbringlich vorbei. Mit den verbleibenden Mitteln – wie bisher- den Wettkampf programmatisch austauschbarer Spielstätten mit allenfalls regionaler Strahlkraft zu befeuern, macht keinen Sinn. Kooperation und Konzentration auf eigene Stärken müssen die Erfolgsstrategien städtischer Kulturpolitik heissen! Das Ende der Theater der Stadt Bonn mit Ablauf der Spielzeit 2012 könnte so zugleich der Anfang einer ungleich größeren Erfolgsgeschichte werden: Die Fokussierung auf das Alleinstellungsmerkmal „Beethovenstadt Bonn“. Mit weitaus geringerem Mitteleinsatz, unterstützt durch den Neubau eines architektonisch erstklassigen Beethoven-Festspielhauses am Standort der heutigen Oper, ist Bonn internationale Reputation gewiss. Salzburg und Bayreuth haben es vorgemacht.

Nicht nur Kinder und Jugendliche würden es Ihnen danken, wenn durch diese Neuausrichtung der Kulturpolitik die geplanten Leistungseinschränkungen bei Sporteinrichtungen, Schwimmbädern und Jugendfreizeitangeboten etc. abgemildert oder gar entbehrlich würden. Anders als der gelegentliche Theaterbesucher können sie aufgrund ihrer eingeschränkten Mobilität nicht einfach ausweichen. In der Beurteilung von Standortfaktoren wissen gerade Familien und hochqualifizierte Arbeitnehmer ein attraktives Sport- und Freizeitangebot zu schätzen.

Mit freundlichen Grüssen!

Achim Dehnen

-Dipl.-Ing.-

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Antwort
von Jürgen Nimptsch am 04. Februar 2011
Jürgen Nimptsch

Sehr geehrter Herr Dehnen,

vielen Dank für Ihren Vorschlag zur Neuausrichtung der städtischen Kulturpolitik.

Dazu muss ich zunächst einige Punkte klarstellen:

• Der z. Z. geltende Intendantenvertrag läuft noch bis zum 31.07.2013.
• Es gibt keine Entscheidungen, die auf eine Schließung der Oper oder des Schauspiels oder sonstiger kultureller Einrichtungen hinauslaufen.
• Und die Stadt würde in keinem Fall auf „einen Schlag über 29 Mio. EUR verfügen, weil Sie nicht außer Acht lassen dürfen, dass das Theater mehr als 400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen Arbeitsplatz bietet und sie entsprechend den geltenden Tarifverträgen zu bezahlen sind.

Richtig ist, dass Bonn über ein vielfältiges und attraktives Kulturangebot verfügt. Aber vor dem Hintergrund unserer immer bedrohlicher werdenden Finanzsituation, werden wir dieses hohe Niveau jedoch nicht auf Dauer beibehalten können. Wir müssen in jedem Einzelfall prüfen, welche freiwilligen Leistungen, und dazu gehört die Förderung von Kultureinrichtungen, sich die Stadt in welchem Umfang noch leisten will und vor allem, welche sie sich noch leisten kann.

Aus diesem Grund hat der Rat die Verwaltung 2010 beauftragt, ein Gesamtkonzept für den Kulturstandort Bonn zu erarbeiten. Für die Erarbeitung dieses Konzeptes, das unter der Federführung des Kulturdezernenten, Herrn Martin Schumacher, entstehen wird, gibt es keine Vorgaben und auch keine Denkverbote, wie beispielsweise mögliche Kooperation mit anderen Theatern. Es wird zu klären sein, ob beim Theater wirklich schon alle Möglichkeiten einer Zusammenarbeit mit anderen Theatern geprüft wurden, also Kooperationen, mit denen die Effizienz gesteigert und die Kosten gesenkt werden, ohne künstlerische Substanz zu verlieren.

Das Kulturkonzept wird sich auch eingehend mit dem Thema Konzerthaus/Festspielhaus auseinandersetzen. Es wird dabei um die zentrale Frage gehen, ob tatsächlich eine baulich ergänzte oder sanierte Beethovenhalle das künftige Konzerthaus der Musikstadt Bonn sein kann oder ob ein Konzerthaus ggf. auch an anderer Stelle in der Stadt errichtet werden kann. Dabei werden wir nicht zuletzt darauf zu achten haben, dass nicht nur die Finanzierung der Baukosten sondern auch der laufende Betrieb des Hauses langfristig gesichert ist.

In jedem Fall müssen wir zügig daraufhin arbeiten, ein in Vielfalt und Qualität attraktives Kulturangebot in Bonn und der Region zu erhalten und dieses auch zukunftsfähig zu machen. Ich teile persönlich Ihre Einschätzung, dass der Schwerpunkt hierbei auf die „Beethovenstadt Bonn“ ausgerichtet sein sollte.

Mit freundlichen Grüßen